Freitag, 6. Mai 2016

Rezension Nina George „Das Traumbuch“


Hardcover 19,99€
Knaur Verlag
Erschienen: März 2016





Inhalt/Meinung/Fazit:

In dem Buch geht es um Henri, einen ehemaligen Kriegsreporter und rastlosen Menschen, auf der ständigen Suche nach sich selbst. Er wird bei dem Versuch, ein Mädchen vor dem Ertrinken zu retten, selbst von einem Auto erfasst und kommt auf eine Intensivstation eines Gehirnzentrums, wo er sich dann im Koma befindet.
Dies alles passiert, als er auf dem Weg zu seinem unbekannten Sohn Samuel ist, der ihn per Brief zu dem Vater-Sohn-Tag an seinem Internat einlud.

Sam ist ein sogenannter Synästhetiker und fühlt sich in seiner Familie nicht wirklich dazugehörig. Diese Eigenschaft lässt ihn seine Umwelt komplett anders wahrnehmen, als andere Menschen und nimmt beispielsweise Stimmen und Zahlen als Farben wahr.
Wenn er einen Raum betritt, nimmt er die Gefühle war, die am häufigsten dort gefühlt worden sind.
Als er von dem Unfall seines Vaters hört, schwänzt er immer öfter die Schule, um ihn im Krankenhaus zu besuchen.

Dort lernt er Eddie kennen, die Ex-Freundin seines Vaters und Madelyn, ein Mädchen, welches sich ebenfalls in demselben Krankenhaus befindet wie Henri und im Wachkoma liegt.
Auf merkwürdige Art und Weise fühlt Sam sich von der ersten Minute an zu ihr hingezogen, obwohl ungewiss ist, ob sie ihn überhaupt sieht, hört und spürt. Sam ist fest überzeugt davon, dass sie es tut.

Ebenfalls lernen wir den zynischen Arzt Dr. Saul mit seinem sehr schwarzen bis nicht vorhandenen Humor kennen, der von Sam nur Gott genannt wird und der ihm versucht, die Welt der Neurologie zu erklären und das auf eine sehr eigensinnige Art und Weise, weniger medizinisch.

Wie reagiert Sam auf Eddie? Lernen sich Vater und Sohn endlich kennen? Was sagt Sams Mutter zu alldem?Was passiert mit Madelyn und wacht sie je wieder aus dem Koma auf?


Mit dem Satz „Vielleicht sind wir alle Geschichten, die gerade gelesen werden.“ beginnt Nina George ihr wundervolles Meisterwerk „Das Traumbuch“.
Der außergewöhnliche Schreibstil ist ein solch besonderer, sodass ich von der ersten Seite an gefesselt war und sofort in die Geschichte eintauchen konnte. Die Kapitel sind in Tagen gegliedert, sodass man eine gute zeitliche Vorstellung bekommt.

Wir erleben verschiedene Erzählstränge aus der Ich-Perspektive, abwechselnd von den drei Hauptcharakteren Henri, Sam und Eddie.
Die Charaktere besitze alle eine Tiefgründigkeit und sind bis ins letzte Detail ausgearbeitet und wirken total glaubhaft.
Immer wieder tauchen sie gedanklich in die eigene Vergangenheit ein und somit erfahren wir viel über ihr Leben und ihre Persönlichkeit. Alle drei Hauptcharaktere sind sehr außergewöhnliche und starke Menschen, die vom Leben geprägt sind.
Zum einen ist da der hochintelligente, zurückhaltende Sam, der in einer Familie lebt, die ihn liebt, aber nicht versteht. Er hat nur einen Verbündeten, und das ist sein Schulfreund Scott, ein Nerd durch und durch.
Der extrovertierten Eddie gehört ein Verlag namens Realitycrash und dieser verlegt Phantastik, ausgerechnet das Lieblingsgenre von Sam und Scott. Dadurch kann sie allmählich eine Bindung zu dem Jungen aufbauen und es entwickelt sich so etwas wie eine Freundschaft zwischen den beiden, sie versteht ihn, was man nicht von besonders vielen Menschen behaupten kann. Sie beginnt von sich und Henri zu erzählen, wie die beiden sich kennen lernten und was sie so erlebten.

Das Ganze wird so gefühlvoll und bildhaft erzählt, eine ruhige aber doch so lebendige Erzählweise, dass ich mich den beiden ebenfalls sehr nahe gefühlt habe. Als sie Sam auch weiterhin hilft bei seinem Versuch, Maddie zurück ins Leben zu holen, wird sie mir zusehends sympathischer als ohnehin schon.
Den Blickwinkel von Henri empfand ich sehr traumhaft und metaphorisch, da er häufig von Weisheiten seines Vaters berichtete. Dieser holte ihn auf einem Boot ab und wollte mit ihm über das Meer, was in Henri die negative Erinnerung an den Tod seines Vaters auslöste. Dieser kam bei einem Unfall ums Leben, als Henri als 13jähriger Junge ihm bei der Fischerarbeit half und er gibt sich bis heute dafür die Schuld.

Die Vater-Sohn-Beziehung bekommt natürlich in diesem Buch einen ganz besonderen Stellenwert.
Das Element Wasser wird grundsätzlich sehr häufig von der Autorin als Motiv eingesetzt um mal angenehme Stimmung, aber auch gefährliche Spannungen zu erzeugen und zieht sich von Anfang bis Ende durch das Buch.
Das ebenfalls Interessante an dem Buch ist, dass sich neben der Haupterzählung eine weitere Geschichte emporhebt, die einen Hauch von Parallelwelt vermuten lässt.
Immer wieder in meinen eigenen Gedanken hängend, löste die Geschichte sehr viel in mir aus, allen voran sehr emotionale Gefühle.
Obgleich die Geschichte sehr leise und ruhig erzählt wird ohne viel Action, hielt sich der Spannungsbogen fortwährend aufrecht.

Als zum Ende hin auch der Einblick vertieft wurde in Henris Beruf als Kriegsreporter und wie er Sams Mutter kennenlernte, werden sehr starke Bilder von Kindersoldaten und deren schicksalhaften Leben wachgerufen.
Zum Schluss werden die Erzählungen von Henri immer konfuser und Erlebnisse werden mehrfach unterschiedlich von ihm wiedergegeben, der Leser bleibt zunächst verwirrt, ob er träumt, ob es seine Wunschvorstellungen sind, Dejavus?
Dieses Konstrukt ist natürlich hat natürlich einen tieferen Sinn, wie so vieles in diesem Buch, was dem Leser zum Schluss auch bewusst wird.
Abschließend kann ich nur noch sagen, dass ich schon lange nicht mehr so beeindruckt war von einem Buch mit so viel Kreativität, Weisheit und Tiefgang. Ich kann es nur jedem Menschen ans Herz legen, dieses Buch zu lesen und ich habe hier eine neue Autorin für mich entdeckt.



Bewertung 5 Sterne




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